Prof. Dr. Dietrich Ungerer ist verstorben


Der anerkannte Sicherheitswissenschaftler Professor Dietrich Ungerer ist am Mittwoch, den 05. Juni 2013, im Alter von 80 Jahren verstorben. Die Gemeinde der Sicherheitswissenschaft zeigt sich bestürzt über seinen plötzlichen Tod. Professor Dietrich Ungerer hinterlässt eine Lücke.

Dietrich Ungerer begann seine wissenschaftliche Laufbahn mit der Analyse von Bewegungsabläufen, die er im weiteren Verlauf durch systemtheoretische Untersuchungen unter der Berücksichtigung von Informationsverarbeitungs-prozessen im menschlichen Gehirn in der Schnittstelle Mensch-Maschine ergänzte und vertiefte. So gelangte Dietrich Ungerer über die Kybernetik und Sensomotorik zur Erforschung von Kinder- und Haushaltsunfällen bzw. der Unfallverhütung. Er setzte sich zunehmend mit dem Stressverhalten von Menschen auseinander, wobei besonders menschliches Verhalten in Gefahrensituationen und bei Extrembelastungen im Mittelpunkt seiner Forschungen standen. Untersuchungen zur Entstehung von Fehlverhalten in Risiko- und Bedrohungssituationen waren bis zu seinem Lebensende im Mittelpunkt seiner Forschungen. Als einer der weltweit Ersten untersuchte er die Gefahr durch das Telefonieren mit Mobiltelefonen auf das Autofahren oder die Auswirkungen des Blitzes von Radarfallen bei Geschwindig-keitsüberschreitungen auf das Unfallvorkommen. Dietrich Ungerer analysierte Feuerwehr- und Polizeieinsätze, Fallschirmsprünge bis hin zu kriegerischen und terroristischen Handlungen und erstellte auf dieser Basis Ausbildungs- und Einsatz-konzepte, u. a. für die Bundeswehr. Generationen von Offizieren wurden durch seine Ausbildung zu Themen wie Menschenführung unter Belastung oder Verhalten in Extremsituationen geprägt. In den letzten Jahren waren seine Arbeitsschwerpunkte die Analyse und Bewertung der Lageentwicklung bei außergewöhnlichen Einsatz-bedingungen sowie die Ausbildung von Einsatzkräften für militärische Operationen. Er setzte sich für die Freiheitsrechte der Bürger in Sachen Sicherheit ein sowie für eine interdisziplinäre Sicherheitswissenschaft, die sich autonom und in sich ge-schlossen mit Risiken befasst.

Geboren am 27. Januar 1933 in Heilbronn am Neckar und aufgewachsen in Mühlbach, einem kleinen Ort bei Eppingen im Kraichgau, war Dietrich Ungerer nach seinem Studium der Sportwissenschaften und Psychologie in Verbindung mit Kybernetik als wissenschaftlicher Assistent an den Universitäten Göttingen und Heidelberg tätig. Im Jahre 1967 übernahm er die Leitung des Institutes für Leibeserziehung der Technischen Universität Berlin, bis er im Jahre 1974 einem Ruf an die Universität Bremen folgte. Dort lehrte und forschte er als Professor für Sensomotorik und engagierte sich als langjähriger Dekan in der Universitätsverwaltung. In seiner beruflichen Laufbahn und in der Zeit seit seiner Emeritierung setzte er sich bis zu seinem Tode für die Sicherheitswissenschaft ein und profilierte sich über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus als anerkannter Stress- und Unfallforscher. Dietrich Ungerer war ein langjähriger Berater der Polizei, der Feuerwehr und des Zivilschutzes. Er beriet Feuerwehren, das Bundeskriminalamt, das Zollkriminalamt, die GSG 9 und Spezialeinsatzkommandos der Länder. Er war Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie in Deutschland und lange Zeit im Arbeitswissenschaftlichen Institut in Bremen, im wissenschaftlichen Beirat der Hochschule für Öffentliche Verwaltung (Bremen) sowie im Vorstand der Gesellschaft für Sicherheitswissenschaft tätig. Darüber hinaus engagierte er sich bei der Europäischen Vereinigung für Unfallforschung und Unfallanalyse, der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt sowie beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Er publizierte im Laufe seines Lebens über 300 Artikel in Handbüchern, Lexika, Zeitschriften und Kongressberichten und hielt zahlreiche Vorträge.

Dietrich Ungerer war bei seinen Studenten durch seinen Enthusiasmus und seine Geradlinigkeit sehr beliebt und konnte sein Umfeld durch seine Ideen und Visionen begeistern. Er genoss bei seinen Kollegen und Einsatzkräften hohe Anerkennung für seine Kompetenz und Menschlichkeit.

Wir haben mit Dietrich Ungerer einen hervorragenden Wissenschaftler und beliebten Kollegen verloren. Wir werden ihm stets ein ehrendes Gedenken wahren.

Freiburg im Juni 2013 Dr. Sebastian Festag & Prof. Dr. Sylvius Hartwig